Ersten zweisprachiger TA-Kongress der Schweiz
Katrin Hodel und Livia Zwahlen erzählen

Vom 6. bis 8. September 2024 hat auf dem Campus Sursee der erste bilingue Kongress der schweizerischen Gesellschaft für Transaktionsanalyse ASAT – SGTA stattgefunden. Christine interviewt Katrin und Livia zu ihren Erlebnissen und Eindrücken.

Christine: Liebe Katrin, liebe Livia, ich war am ersten zweisprachigen Kongress der ASAT-SGTA am geselligen Teil, dem Festabend am Samstagabend dabei und habe die lockere Atmosphäre und den Schwung sehr genossen. Ihr hattet Zeit und Raum, auch an den Workshops und dem Drumherum teilzunehmen. Schön, teilt ihr eure Erfahrungen und Erlebnisse mit uns. Katrin, der Kongress hatte das Motto «Rencontre – Begegnung». Was denkst du, weshalb das Organisationskomitee gerade dieses Motto gewählt hat?

Katrin: Der Kongress in Sursee war der erste zweisprachige Kongress, den es jemals in der Schweiz gegeben hat. Er war der Abschluss der Fusion des deutschschweizerischen Verbandes für Transaktionsanalyse DSGTA mit dem Verband des französischsprachigen Teils der Schweiz ASAT. Im März 2024 fand in Biel die Gründungsversammlung statt, der Kongress war gewissermassen ein erster Abschluss dieses Prozesses. Entsprechend dem Titel «Rencontre – Begegnung» wurde ein Begegnungsraum für Romands und Deutschschweizer/innen geschaffen.

Christine: Ist dieser Begegnungsraum denn auch so genutzt worden?

Livia: Ja, dies war meines Erachtens so, es gab viel Raum für Begegnungen. Das Organisationskomitee hatte einen guten Faden gesponnen, der immer wieder Freiräume zum Plaudern und zur Kontaktaufnahme ermöglichte. Ich habe viele Menschen aus der Schweizer TA-Szene kennengelernt, die ich vorher nicht kannte. Da die welsche TA-Gemeinschaft kleiner ist als die deutschsprachige, gab es auch weniger Menschen am Kongress, die Französisch als Muttersprache hatten. Und doch war dieses welsche Flair überall spürbar. So bezeichnete der welsche ASAT-SGTA Präsident Michel Bonjour beispielsweise die Welschen als diejenigen mit etwas mehr «Olé-Olé» als die Deutschschweizer/innen. Sie seien etwas weniger strukturiert und vielleicht auch impulsiver.

Eine Keynote wurde in Französisch gehalten (mit Simultanübersetzung ins Deutsche) und die Podiumsdiskussion am Freitag mit Michel Bonjour und Jürg Bolliger war zweisprachig, mit Übersetzung in beide Richtungen. So wurde die Durchmischung für mich gut spür- und erlebbar.

Christine: Damit hast du auch gleich meine Frage beantwortet, wie du die Zweisprachigkeit erlebt hast, Livia. Wie ist es dir damit ergangen, Katrin?

Katrin: Persönlich lebe an der Sprachgrenze in der Nähe von Biel und arbeite zweisprachig in meinem Betrieb. Für mich war es entsprechend herrlich, diesen Sprachenmix zu erleben: zu übersetzen, zu verstehen, nicht zu verstehen, nachzufragen... Ich habe es sehr genossen und fand es schön, wie sich das gemischt hat und neue Erlebnisse möglich wurden. Ich selbst habe einen zweisprachigen Workshop gegeben. Der hat wunderbar funktioniert, ich konnte selbst übersetzen und erlebte dabei, wie diese zwei Sprachregionen verschmelzen konnten.

Christine: Ich höre «verstehen» und «nicht verstehen», habe selbst viel Schwung und Engagement am Festabend erlebt und du Livia hast von der Spürbarkeit der beiden unterschiedlichen Kulturen gesprochen. Welche Begegnungen sind euch beiden besonders in Erinnerung geblieben?

Katrin: Ich habe viele bekannte Gesichter wieder getroffen: Lehrende Transaktionsanalytiker/innen, Kursteilnehmende, Kolleginnen und Kollegen, die zusammen mit mir in der Ausbildung waren. Ich fand es sehr schön, all diese Menschen wieder zu treffen. Insofern sind mir viele Begegnungen in Erinnerung geblieben.

Speziell ist mir die Begegnung mit «neuen» Menschen in Erinnerung geblieben, die ich vorher noch nicht gekannt habe. Ich fand das grossartig, dass überall, wo ich hinkam, zu wem auch immer ich hinstand in einer Pause oder in einem Workshop, gute, tiefe Gespräche entstanden. Ich habe viel Zeit mit Intimität (im transaktionsanalytischen Sinn) und wenig mit Smalltalk im Sinne von Zeitvertreib verbracht.

Livia: Wie Katrin habe ich es genossen, in die Menschengruppe einzutauchen, zuzuhören und mitzureden. Aus meiner Ausbildungsgruppe war leider niemand anwesend und doch gab es immer Möglichkeiten, bei Kolleginnen aus der Weiterbildung oder bei Lehrenden anzudocken und mich auszutauschen. Ich habe Menschen zu Namen kennengelernt, die ich sonst nur aus Fachartikeln oder Bücher kenne und war angenehm überrascht, wie zugänglich auch solche «Koryphäen» der TA-Gemeinschaft sind.

Berührend fand ich auch die Momente während den beiden Keynote-Vorträgen. Einer wurde auf Deutsch, der andere auf Französisch gehalten. Da alles simultan übersetzt wurde, waren alle Menschen im Raum immer zeitgleich unterwegs und diese gespannte Aufmerksamkeit über die Sprachgruppen hinweg hat mich berührt. Die zweisprachigen gemurmelten Kommentare, das zustimmende Knurren oder Kopfnicken, das überraschte Aufhorchen, all das war wirklich wunderbar.

Christine: Das tönt wirklich anregend, danke für diese Schilderungen. Am Samstag und Sonntag gab es die Gelegenheit, Workshops zu besuchen. Was habt ihr daraus mitgenommen?

Livia: Ich habe Ateliers zu Stressmanagement, positiver Transaktionsanalyse und Logosynthese besucht. Die Auswahl habe ich intuitiv im Moment getroffen und war sehr zufrieden damit. Ich bin angeregt, habe neue Werkzeuge zur Hand, viel Literatur zum Nachlesen, bin inspiriert für Weiterbildungen und bestärkt in meinem Tun. Gleichzeitig hätte ich alle anderen Workshops auch gerne besucht. Die Themen waren alle passend zum Oberthema Rencontre – Begegnung gewählt.

Katrin: Es war toll, spontan aus den 6-8 Workshops pro Runde auswählen zu können. Einige der Anbieter/innen kannte ich bereits, andere waren mir neu. Was mir auch gefiel war ein mir schon bekanntes Konzept von einer anderen Seite zu beleuchten, es aus einem anderen Blickwinkel erklärt zu bekommen und dadurch so zu vertiefen. Auch habe ich Ansätze ausserhalb der Transaktionsanalyse kennengelernt und fand dies bereichernd.

Die Keynotes fand ich auch sehr spannend, besonders weil nicht alles, was in diesen Keynotes erzählt wurde, direkt aus der Transaktionsanalyse oder nicht aus meinem Feld der TA stammte. Marc Turiault ist Neurowissenschaftler und referierte über das Gehirn in Begegnung und Gudrun Jecht ist Ärztin für Psychotherapie und Psychosomatik und Transaktionsanalytikerin im Feld Psychotherapie.

Christine: Der Termin für den nächsten Schweizer Kongress steht noch nicht fest, aber die deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse führt vom 23. - 25. Mai 2025 in Osnabrück einen deutschsprachigen Kongress durch. Und nicht zu vergessen ist der Weltkongress vom 8.-10. August 2025 in Montpellier. Weshalb sollten denn unsere Leser/innen an Kongressen teilnehmen?

Livia: Ich finde es einfach wunderbar, in neue Kulturen/neue TA-Kulturen einzutauchen und Menschen kennenzulernen, die zwar mit der gleichen Basis arbeiten und es doch alle ganz anders gestalten. Kongresse zeigen dies eindrücklich auf. Ich mag die Fülle an Workshops und die Gelegenheit, rund um den Globus neue Bekanntschaften zu schliessen. Oder – im Online-Zeitalter – Menschen zu treffen, die ich bisher nur online kannte.

Katrin: Das Tolle an Kongressen ist auch, dass ich mich anmelden kann, auch wenn ich nur über wenig TA-Vorwissen verfüge. Oder: Wenn ich gerade dabei bin, meine CTA-Arbeit zur zertifizierten Transaktionsanalytikerin zu schreiben, kann ich mich durch neue Ansätze inspirieren lassen. Kongresse sind eine rundum gelungene Gelegenheit, sich zu vernetzen und Neues zu lernen.

Christine: Danke für das Gespräch und eure Einblicke!