Strokes in unserem Alltag –
Ein Austausch zwischen Christine Kohlbrenner-Borter und Stefan Kubli

Christine Kohlbrenner-Borter und Stefan Kubli erzählen, welche Bedeutung positive Strokes (Eric Berne: «Einheiten der Anerkennung») in ihrem Alltag haben, und wie sich diese auf ihre Mitmenschen und sie selbst auswirken.

Stefan: Liebe Christine, du hast einen Text über Strokes verfasst und ich freue mich auf unseren Austausch zum Thema Strokes in unserem Alltag. Meine erste Frage an dich: Welche Bedeutung haben Strokes für dich in deinem Alltag?

Christine: Strokes haben eine grosse Bedeutung in meinem beruflichen und persönlichen Alltag.  Wie im Text über Strokes beschrieben, gibt es positive, negative, verbale und nonverbale Strokes.  Ich beziehe mich auf die Bedeutung von positiven verbalen und nonverbalen Strokes. Ich bin überzeugt, dass sie den Alltag leichter und freundlicher machen. Mit meiner Präsenz, einem wachen Interesse an meinem Gegenüber, dem Thema und mir selbst, schaffe ich eine wohlwollende positive, «stroke-reiche» (wertschätzende) Atmosphäre, die sich entwicklungsfördernd auf mein Gegenüber, das Thema und mich auswirken kann. Meine positive Grundhaltung und mein offenes Zu- und Hinhören mir selbst, dem anderen und dem Thema gegenüber spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Menschen fühlen sich gesehen und vielleicht auch in ihrer Lebenswelt abgeholt. Auch ich bin auf positive Strokes angewiesen, um in meinem Leben zu wachsen.

Christine: Jetzt interessiert mich von dir zu wissen, welche Möglichkeiten wir haben, Menschen und uns selbst im Alltag positiv zu stroken?

Stefan: Was die Form betrifft, denke ich, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Bandbreite an Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen, ist sehr gross. Ganz wichtig für mich ist, dass ein «Stroke» authentisch, also ernst gemeint ist und von Herzen kommt. Ein freundliches «Grüezi» und «Danke, «ich wünsche Ihnen einen schönen Tag» an der Kasse sind kleine einfache Strokes für mein Gegenüber. Meine Wertschätzung für etwas oder jemanden explizit auszudrücken, anstatt es nur im Stillen für mich zu denken, ist bereits etwas aufwendiger, erzielt aber eine umso grössere Wirkung. Besonders schön finde ich Strokes, welche die Empfänger/innen überraschend erreichen. Ganz zufällig trinke ich meinen Tee aus der Tasse, die ich vor Jahren von einer Freundin geschenkt bekommen habe. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Ich knipse rasch ein Foto und schicke es ihr zu. Ein Kommentar ist nicht nötig, sie weiss, dass ich gerade an sie denke und sie einen Platz in meinem Leben einnimmt.

Christine: Jetzt frage ich mich natürlich, welche Reaktionen du bei deinem Gegenüber beobachtest, nachdem du ein solches Foto verschickt hast, oder nett «Grüezi» gesagt hast?

Stefan: Fast immer grüsst die Person zurück, und gelegentlich ergibt sich daraus auch ein kleiner Schwatz. Wir Menschen werden gerne gesehen, wünschen uns Wertschätzung, und solche alltäglichen Begegnungen leisten einen wichtigen Beitrag dazu. Bei den Fotos kommt meistens eine Textnachricht oder auch ein Bild zurück, und auch hier entsteht daraus oftmals ein schöner und überraschender Austausch – und das ist für mich auch wiederum ein «Stroke».

Christine: Danke auh für diese Beispiele, solche Strokes scheinen also tatsächlich eine positive Wirkung zu erzielen.

Stefan: Ja, auf jeden Fall. Ich erlebe, dass ich mit meinen Strokes etwas Positives ins Rollen bringen kann. Ich glaube, dass solche Strokes eine ansteckende Wirkung haben. Allerdings gelingt das nicht immer. Wo erlebst du bei diesem Thema Grenzen, Christine?

Christine: Wie wir auf positive und auch negative Strokes reagieren, hat etwas mit unserem Lebensplan, unserer Biografie zu tun. Es stellt sich die Frage: Habe ich als Kind positive verbale, nonverbale oder negative Strokes auf mein Verhalten, auf mein Sein erhalten? Wie wurde auf mich reagiert: Immer wieder positiv oder mehrheitlich nur negativ? Als Kind habe ich unbewusst meine persönlichen Schlussfolgerungen aus diesen Erlebnissen und Erfahrungen gezogen. Beispiel: Habe ich als Kind vorwiegend negative Strokes erhalten, bin ich heute mit positiven Strokes überfordert und lasse diese nicht an mich heran. Dies bedeutet, dass nicht alle positiven Strokes beim Empfänger als solche ankommen. Auch gesellschaftlich haben wir gelernt, positiven Strokes gegenüber zurückhaltend zu reagieren. Wenn meine Freundin eine schöne Bluse trägt, dann sage ich ihr das. Mit ihrer Antwort: «Die ist schon alt und hat nur 19 Franken im H&M gekostet», weicht sie meinem Kompliment aus und lehnt den positiven «Stroke» ab.

Stefan: Wir haben jetzt vor allem von Strokes an unsere Mitmenschen gesprochen. Wie sieht es aus mit Strokes an uns selbst? Wie deckst du dein Bedürfnis nach Strokes in deinem Alltag, Christine?

Christine: Tja, das ist eine gute und wichtige Frage. Wenn ich gut und positiv «gestroked» bin, das heisst, wenn ich im Alltag, im Beruf und auch daheim immer wieder wertschätzende Anerkennung und Zuwendung erhalte, füllt sich mein persönliches «Strokegefäss», was dazu führt, dass ich mich energievoller, selbstbewusster im Alltag bewege und weniger konfliktanfällig bin. Ich führe ein Dankbarkeitstagebuch. In dieses schreibe ich praktisch jeden Abend, was ich an diesem Tag Schönes erleben durfte. Beim Schreiben spüre ich Dankbarkeit und Dankbarkeit wirkt auf mich wie positive Strokes. Ich spüre Lebendigkeit, Demut und die «Freundlichkeit des Lebens».

Stefan: Das hast du schön gesagt, du hast dazu wirklich ein Talent – vielen Dank dafür, liebe Christine.