Discounting –
Ein Begriff, zwei psychologische Bedeutungen
Discounting ist ein Begriff, hinter dem sich in der Transaktionsanalyse (TA) zwei psychologische Bedeutungen verbergen.
Der englische Begriff «Discount» wird im Deutschen unter anderem als Rabatt oder Minderbewertung übersetzt – etwas oder jemand wird herabgesetzt oder auch unberücksichtigt gelassen. In der TA verfügt dieser Begriff über zwei verschiedene psychologische Bedeutungen.
Discount: Ein Begriff – zwei Bedeutungen
Die erste Bedeutung von «Discount» wird als eine Form der Missachtung in der zwischenmenschlichen Kommunikation verstanden. In der TA-Literatur finden sich häufig auch die Begriffe Abwertung oder Geringschätzung. Dabei handelt es sich um einen äusseren, zwischenmenschlichen Vorgang. Diese Missachtung üben Menschen in verschiedenen Formen aus. Sie bezieht sich nicht nur auf die betreffende Person an sich, sondern auch auf deren Aussagen und Bedürfnisse wie:
- Mangel an Aufmerksamkeit (Ignorieren, Hänseln, Demütigen)
- Negative Zuwendung (verletzt seelisch/körperlich)
- Herabsetzende Botschaft (Du bist nicht O.K., verbal/nonverbal)
- Redefinitions-Transaktionen (blockierende und tangentiale Transaktionen)
Gegen solche Missachtungen «sollten» wir uns wehren. Wir können lernen, unsere Bedürfnisse klar zu formulieren und vom Gegenüber einfordern, gehört und ernst genommen zu werden. Gelingt dies auf Dauer nicht, ist es vermutlich besser, wenn wir uns aus dieser Beziehung distanzieren oder lösen.
Für die zweite psychologische Bedeutung wird der Begriff Ausblendung verwendet. Hierbei handelt es sich um die Verdrängung eines Problems, oder der Möglichkeit, ein solches zu lösen – und bezieht sich entsprechend auf einen inneren Vorgang.
Die Ausblendung betrifft vier Aspekte:
- Ausblendung der Existenz einer Gegebenheit/eines Problems
- Ausblendung des Bestehens des Problems
- Ausblendung der Lösbarkeit des Problems
- Ausblendung der Fähigkeit zur Lösung des Problems
Diese Verdrängung kann auf verschiedenen Stufen erfolgen und somit mehr oder weniger elementar sein. In der Alltagspsychologie wird sie oft als «blinder Fleck» bezeichnet.
Jacqui Lee Schiff und ihre Mitarbeitenden haben ihre Beobachtungen, wann genau eine Person eine Ausblendung machen könnte, subtil aufgeschlüsselt und in einem System von Stufen dargestellt («Cathexis-Reader», 1975).
Beispiel: Eine Person entdeckt an ihrem Körper ein Muttermal, welches sich in seiner Form und Farbe in letzter Zeit verändert hat. Für uns als Beobachtende mag klar sein, dass es sich dabei um eine ernstzunehmende Sache handelt, dieses Muttermal einer medizinischen Fachperson zu zeigen ist und, falls notwendig, behandelt werden muss. Die betroffene Person allerdings kommt nicht zu diesem Schluss. Welchen Aspekt der Gegebenheit, des Problems oder der Möglichkeit, etwas zur Lösung beizutragen, blendet sie aus?
Anhand des Stufensystems können wir ihren Denkprozess begleiten und überprüfen. Wir beginnen unten links. Trifft die Aussage im jeweiligen Kästchen zu, überprüfen wir als nächstes die Aussage im darüberliegenden Kästchen und in demjenigen rechts davon.
Stufen der Ausblendung (Schiff-Schule), Beispiel «Verändertes Muttermal»:
Sollte die Person eine Überlegung (in einem der Kästchen) ausblenden, so fallen in der Folge alle Überlegungen weg, die oberhalb oder rechts davon liegen.
Die massivste Ausblendung besteht darin, die Existenz des veränderten Muttermals auszublenden (Kästchen unten links).
Die subtilste Ausblendung besteht darin, nicht fertig zu bringen, was die Person selbst als sinnvoll erachtet (Kästchen zuoberst rechts).
Dank einer präzisen Ortung des Discounts wissen wir nun exakt, welchen Aspekt der Thematik die Person ausblendet. Genau an dieser Stelle können wir nun ansetzen und sie wirkungsvoll dabei unterstützen, die erforderlichen weiteren Schritte unternehmen zu können.
Drei Modell-Varianten zur Ortung von Discounts
Dieses Stufensystem der Schiff-Schule wurde von verschiedenen TA-Autoren/-innen angepasst und weiterentwickelt. Drei Varianten möchte ich an dieser Stelle vorstellen:
1. Variante «Kurz und knapp»
Leonhard Schlegel hat für seine Beratungspraxis die Ausblendungshierarchie vereinfacht und in vier Fragen zusammengefasst:
2. Variante «Ausführlich und präzise»
Ken Mellor und Eric Sigmund (Schiff) haben kurz nach der Veröffentlichung des «Cathexis-Reader» 1975 eine grafische Darstellung des Abwertungskonzeptes vorgestellt: Die Discounttabelle. Im Jahr 2003 hat Henning Schulze die gedrehte Abwertungstabelle, eine alternative Darstellungsform vorgestellt, welche meiner Meinung nach das Konzept am besten darstellt, und mit der es sich somit etwas einfacher arbeiten lässt, als mit der ursprünglichen Version von Mellor und Sigmund (Schiff).
Im Gegensatz zu den «Stufen der Ausblendung» der Schiff-Schule, arbeiten wir uns bei dieser Tabelle von oben nach unten durch die verschiedenen Discountstufen. Alle Ebenen, Typen und Bereiche des Discounts sind in dieser Tabelle ersichtlich.
3. Variante «Einfach und lösungsorientiert»
Ein weiteres Modell für die Arbeit mit Discounts ist die Problemlösungstreppe von Jürg Bolliger. Im Gegensatz zur Discounttabelle, legt er den Fokus auf das Positive. Wir bewegen uns Stufe um Stufe hoch zur Lösung.
Die Problemlösungstreppe von Jürg Bolliger:
Wer Informationen auf einer Stufe nicht wahrnimmt, bleibt stehen und discountet auf allen weiteren Stufen. So wird es beispielsweise nicht zum Erfolg führen, mit jemandem über die «Lösbarkeit» eines Problems zu sprechen, wenn die betreffende Person auf der Stufe der «Hinweise» stehen geblieben ist. Sind mehrere Personen an einem Problem beteiligt, gilt es zu überprüfen, wer auf welcher Stufe discountet. Als beratende Person muss ich dazu sicherstellen, dass erst einmal alle Beteiligten «auf der gleichen Stufe stehen», bevor wir weiter zur Lösung hochsteigen können.
Welche dieser Varianten eignet sich am besten für deinen Alltag – ob in der Beratung von anderen Menschen, oder in deinem eigenen Prozess? Ich hoffe, es gelingt dir mit deren Hilfe, dem einen oder anderen Discount auf die Spur zu kommen. Ich wünsche dir dabei viel Erfolg.
Verfasst von Stefan Kubli, Kursleiter TA Schweiz
Quellen- und Literaturhinweise:
- Leonhard Schlegel, «Die Transaktionale Analyse», 6. Auflage 2020
- Ian Stewart und Vann Joines, «Die Transaktionsanalyse», 10. TB-Auflage 2010
- Prof. Dr. Henning S. Schulze, «Die “Gedrehte Abwertungstabelle“ - von der Theorieorientierung zur Anwendungsorientierung des Konzeptes von Mellor und Sigmund», Arbeitspapier, 2003
- TAJ Volume 5, 1975 – Issue 3, Discounting, Ken Mellor, Dip. Soc. Studs. & Eric Schiff Pages 295 - 302
- Jürg Bolliger, «Problemlösungsprozess: die 5 Stufen der Problemlösungstreppe», 2017, https://juerg-bolliger.com/problemloesungsprozess/