Mein Bezugsrahmen – die Realität, in der ich lebe
Genauso wie wir Menschen, ist auch unser Bezugsrahmen individuell und einzigartig. Er ist ein zentrales und lebendiges Konstrukt, welches wir unser ganzes Leben lang nutzen und fortwährend verändern.
Verträge in der Transaktionsanalyse sind wichtig, da sie die Grundlage für die Art und Weise bilden, wie wir Menschen miteinander kommunizieren und in Beziehung treten. Indem wir uns bewusst werden, welche Verträge bestehen, können wir die Qualität der Interaktionen verbessern und effektivere Kommunikationsmuster entwickeln.
Man kann den Bezugsrahmen als eine Brille verstehen, durch die wir unsere Welt betrachten. Was ich durch meine Brille sehe, unterscheidet sich vom Bild, welches eine andere Person vom gleichen Geschehen hat. Wir verstehen und interpretieren die gleiche Situation auf unterschiedliche Art und Weise.
Im Gegensatz zur optischen Brille ist meine persönliche, innere Brille aber nicht starr geformt. Mit jedem neuen Blick auf die Welt, mit jeder Begegnung und jeder neuen Erfahrung verändert sich mein Verständnis für ebendiese Welt – und dieses neue Verständnis führt dazu, dass sich meine Brille anpasst und meinen nächsten Blick auf meine Welt somit ein anderer sein wird. Dieser zirkuläre Prozess dauert vermutlich unser ganzes Leben an.
Wie der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse unsere Lebensweise prägt
Werde ich mit Begebenheiten, Menschen oder Erfahrungen konfrontiert, die nicht zu meiner Brille passen tendiere ich dazu, diese umzudeuten und so für meine Brille wieder passend zu machen. Dieser Vorgang wird mit dem Begriff «Redefinieren» umschrieben.
Alle unsere Erfahrungen, positive wie negative sind in unserem Bezugsrahmen enthalten. Er enthält Regeln und Werte, erlernte wie selbst geschaffene. Er ist geprägt von unserem Verständnis unserer eigenen Fähigkeiten und vor allem auch von unserem Lebensplan (auch «Skript» genannt, ein zentrales TA-Konzept von Eric Berne), welchen wir bereits als Kind für unser Leben erstellen.
Unser Bezugsrahmen beeinflusst massgeblich unser Denken, Fühlen und Handeln – genau das macht ihn so bedeutsam für uns. Im Idealfall stellt unser Bezugsrahmen eine Ressource für uns dar. Wie eine Landkarte, gibt er uns Orientierung, und hilft, uns in unserem Umfeld zu orten und neue Entdeckungen festzuhalten.
Ein Bezugsrahmen ist vielschichtig und differenziert. Er ist sehr flexibel, womit es uns leichtfällt, uns auf andere einzustellen. Gleichzeitig sollte er auch eine gewisse Stabilität aufweisen, damit es uns gelingt, eigene Standpunkte zu halten. Dazu passt der Vergleich mit der menschlichen Haut sehr gut (Jacqui Lee Schiff, welche zusammen mit ihren Mitarbeitenden den Begriff «Bezugsrahmen» in der TA eingeführt hat, hat ihn auch als eine «Haut um die Ich-Zustände» beschrieben). Eine gesunde Haut ist widerstandsfähig, und gleichzeitig aber auch sehr dehnbar und durchlässig.
Die Dynamik des Bezugsrahmens: Erweiterung und Veränderung
Natürlich kann uns unser Bezugsrahmen auch einschränken und begrenzen. Begegnen sich zwei Menschen, deren Bezugsrahmen sich wenig überschneiden, oder sogar entgegengesetzte Auffassungen enthalten, besteht die Gefahr von Missverständnissen und Konflikten. In solchen Fällen sind wir gefordert, uns auf das Gegenüber einzulassen und unseren Bezugsrahmen entsprechend zu erweitern – und bzw. oder die andere Person dazu einzuladen. So kann es beispielsweise sein, dass die eine Person A auf eine Situation wütend reagiert, während eine andere Person B darauf gleichgültig, belustigt oder interessiert reagiert. Wenn Person A offen ist, mag ihr in einem ersten Schritt die Einsicht gelingen, dass gerade zwei Personen unterschiedlich auf diese Situation reagieren. Der nächste Schritt wäre die Erkenntnis, dass auch sie anders reagieren könnte. Der dritte Schritt bestünde in der Einsicht, dass es ihre Entscheidung ist, wie sie reagiert (vgl. Schlegel 2020: S. 115). Leonhard Schlegel definiert eine Änderung wie folgt: "Eine Änderung des Bezugsrahmens ist gemeint, wenn wir von jemandem sagen, er habe sich, die Welt und sein Problem anders sehen gelernt."
Es liegt in der Natur des Bezugsrahmens, dass wir für eine Erweiterung erst einmal eine Portion Energie benötigen. Allenfalls kann eine solche Vergrösserung auch Unbehagen oder gar Angst in uns auslösen. Gelingt es uns, diese Hürde zu überwinden, besteht die Chance, etwas Neues zu entdecken und zu integrieren. So entwickeln wir uns weiter.
Genaueres über dieses Modell findet man in der Ausarbeitung «Bezugsrahmen und sein praktischer Nutzen» von Angelika Glöckner (PDF auf www.angelika-gloeckner.de). Praktisch lern- und erlebbar wird dieses Thema bereits in den ersten Tagen der TA-Ausbildung bei TA Schweiz.
Verfasst von Stefan Kubli, Kursleiter TA Schweiz
Quelle: Leonard Schlegel; Die Transaktionsanalyse – DSGTA (Deutschschweizer Gesellschaft für Transaktionsanalyse) 6. Auflage 2020
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